HUMANKAPITAL ENPACT: CO-FOUNDER MATTHIAS TRAUTWEIN IM INTERVIEW

Hu·man·ka·pi·tal
/Humánkapital/
Substantiv, Neutrum [das]WIRTSCHAFT
Arbeitsvermögen; Gesamtheit der wirtschaftlich verwertbaren Fähigkeiten, Kenntnisse und Verhaltensweisen von Personen oder Personengruppen

Ab heute stellen wir euch in unserem neuen Format “Humankapital” jeden Monat ein Team, Member oder Mitarbeiter*in aus unserer St. Oberholz Community vor. Mit diesem Projekt wollen wir das Fundament unserer Orte, die Geschichten unserer Community mit euch teilen.

Bild: Co-Founder Matthias Trautwein im Interview

Matthias, was genau ist enpact, wer arbeitet bei euch und was treibt ihr täglich so bei uns im brandneuen St. Oberholz Space in der Torstraße?

Wir sind eine non-profit NGO mit Hauptsitz in Berlin, haben aber Mitarbeiter auf der ganzen Welt. Zum Beispiel sitzen unsere Kollegen*innen in Kairo, Jakarta, Mexiko-Stadt, Nairobi, Accra, Stockholm und Lausanne, denn wir nehmen flexibles Arbeiten, von wo und wann man möchte, sehr ernst.

Unser Hauptanliegen ist seit sieben Jahren die Förderung von Unternehmertum und jungunternehmerischen Ökosystemen als Instrument in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Angefangen hat alles mit einem ersten Mentoring Programm in Ägypten und Tunesien. Darin standen erfahrene Gründer*innen aus Deutschland und Europa den teilnehmenden, jungen Gründer*innen aus den Projektländern zur Seite. Seitdem haben sich daraus sehr viele neue Produkte und Projekte organisch entwickelt.

Welche Projekte sind das?

Unsere Arbeit unterteilt sich in drei Geschäftsbereiche:

Zum einen unser Entrepreneurial Support, bei dem wir junge Gründer*innen in Schwellenländern mit einer Kombination aus Mentoring, Workshops, dem Zugang zu Netzwerken und Finanzierung direkt unterstützen.

Dann unser Organizational Support, den man wie eine Art Selbsthilfegruppe für Organisationen verstehen kann, die Gründertum unterstützten. Durch Bootcamps, gemeinsames aktives Designen und Entwickeln von Programmen lernen sich die Teilnehmer*innen kennen, lernen von- und miteinander und bauen zudem Vertrauen zueinander auf

Außerdem betreiben in unserem Bereich Data & Research die Analyse von städtischen unternehmerischen Ökosystemen, aus denen wir Handlungsempfehlungen für die verschiedenen Stakeholder entwickeln.

In allen Bereichen verfolgen wir immer das Ziel, dass sich die Akteure aus allen Bereichen und Sektoren gegenseitig kennenlernen und gemeinsam etwas entwickeln. Ein tolles Ergebnis bei einem unserer Designers‘ Labs aus dem Portfolio des Organizational Support war beispielsweise ein erster gemeinsamer Hackathon zivilgesellschaftlicher Akteure im Irak, aus dem sich die Gründung eines gemeinsamen Startup-Verbands weiterentwickelte. Zuvor hatten sich die unterschiedlichen Organisationen misstrauisch gegenübergestanden.

 

Wie lange war die Idee zu gründen schon in deinem Kopf bevor es dann losging?

Ich habe ja nicht alleine gegründet – sondern mit meinem Mitgründer Dr. Sebastian Rubatscher.
Kennengelernt haben wir uns bei dem erwähnten Mentoring Projekt in Ägypten und Tunesien. 1,5 Jahre haben wir dort zusammen gearbeitet und wir haben über die Zeit gemerkt wie unglaublich viel Potential in diesem Projekt steckt. Als der Träger die Zusammenarbeit beenden wollte, der Geldgeber und wir uns aber einig waren weiterzumachen, haben wir die Chance genutzt und unseren Verein gegründet.

Das sind natürlich sehr „angenehme“ Gründungsumstände, oder?

Ja, in der Tat. Wir haben den Input des ersten Projektes direkt aufgreifen können und dazu noch das Glück gehabt, die Investoren direkt an unserer Seite zu haben. Die fanden es auch super, dass das Projektteam das Gleiche geblieben ist.

Ich bin ja immer skeptisch, wenn jemand den eigenen Erfolg allein darauf beschränkt zu sagen „Ich hatte da eine geniale Idee“. Denn meistens ist es auch einfach eine Kombination aus dem richtigen Moment, viel harter Arbeit, aber eben auch ein paar anderen glücklichen Umständen. So war es zumindest bei uns.

Du hast wohl Glück gehabt mit deinem Co-Founder. Was würdest du potenziellen Gründer*innen für Tipps geben. Wie findet man denn das ‚perfect match‘?

Einen Mitgründer zu finden ist das Beste und Anstrengendste. Rückwirkend sehe ich die Art und Weise wie Sebastian ich zueinander kamen als sehr günstige Konstellation. Wir teilen die gleiche Art von Humor, waren aber bevor wir zusammen gearbeitet haben nicht persönlich miteinander bekannt oder befreundet und verfügen über sehr komplementäre Kompetenzen.

Das ist meines Erachtens, zusammen mit einem fortlaufenden kreativen Konflikt und der Fähigkeit zum kritischen Diskurs sehr wichtig. Wenn man sich von Anfang an immer einig ist, fehlen die verschiedenen Blickwinkel und Perspektiven, als auch die nötige Reibung, die für ein erfolgreiches Venture absolut notwendig sind. Wo man diese Person jetzt finden mag, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass die Chemie stimmen muss. Das kann überall passieren.

Mal abgesehen von deinem Co-Founder, wer oder was ist deine größte Stütze?

Verschiedene Sachen. Das lernt man auch erst mit der Zeit. Ich habe eine Familie mit zwei kleinen Kindern, die auch in unserer Anfangszeit geboren wurden. Ein*e Partner*in, die/der dir dabei den Rücken freihält, ist für mich unglaublich wichtig. Manchmal wird man vom Anderen getragen und manchmal trägt man den Anderen…. Dieses Prinzip des Tragens und Getragen Werdens gilt für mich generell für alle zwischenmenschlichen Beziehungen.

Vision, Mut und Willenskraft sind bei niemandem jeden Tag zu 100% da. Deshalb gibt dieses gegenseitige Tragen und Unterstützen mir unendlich viel Kraft.

Ein weiterer wahnsinnig motivierend wirkender Antrieb sind bei uns die Geschichten und Projekte unsere Teilnehmer*innen. Wir arbeiten in der Entwicklungszusammenarbeit und in vielen unserer Projektländer gibt es ungleich viel schwierigere Rahmenbedingungen, legale Fallstricke und generell größere Herausforderungen als bei uns zu meistern. Wenn ich uns dann manchmal jammern höre und es mit den Ländern mit denen wir zusammen arbeiten vergleiche – da kommt die Motivation direkt wieder zurück. Denn was die Menschen dort vor Ort mit einer unglaublichen Energie, Enthusiasmus und Kreativität leisten, ist schon beeindruckend – da würden wir oft schon alle heulend wegrennen. Der Impact den wir dort schaffen, treibt mich deshalb wohl am meisten an. Zu sehen wie unter den Teilnehmer*innen Freundschaften und sogar Beziehungen und auch Babys (lacht) entstehen, ist wirklich unglaublich belohnend.

 

Warum habt ihr Coworking als Arbeitsmodell gewählt?

Wir haben verschiedenste Modelle ausprobiert und ich glaube es ist immer sinnvoll, wenn man mit offenen Augen und Ohren durchs Leben geht. Es gibt Zeiten, in denen es sinnstiftend ist an Orten des Austauschs wie in einem Coworking zu sein. Genauso gibt es aber auch wieder Zeiten, in denen man sich wie eine Schildkröte zurückziehen sollte, um ganz intensiv an seinen Ideen zu arbeiten. Ich glaube, das ist ein Balanceakt, den man für sich selbst hinkriegen muss. Wenn man nur noch in Coworking, Events und Wettbewerben unterwegs ist, bleibt keine Zeit mehr für die eigentliche kreative Arbeit.

Misserfolge kennen wir wohl alle. Egal ob Gründer*innen oder nicht.
Was ist dein Learning aus den letzten sieben Jahren?

Auch in den schwersten Zeiten, muss man sich auf das konzentrieren, was gerade Positives passiert. Das fällt dann aber sauschwer (lacht). Selbst wenn der Arsch auf Grundeis geht und man nichts Positives findet, muss man Ruhe bewahren, reflektieren und sich überlegen „Hey, was kann ich daraus lernen?“.

Es hilft dann auch, nicht ganz allein zu sein, sonst geht das Kopfkino ganz schnell an. Dabei helfen mir mein Mitgründer, die Kollegen, Freunde und Partner. Das Schlimmste, was man machen kann, ist sich selbst nicht eingestehen, dass man gerade überfordert ist und Hilfe braucht.

Vorletzter Frage, Matthias: Auf was freust du dich am meisten, wenn du ins Büro kommst?

Eigentlich gibts es da nichts Bestimmtes. Wobei, doch. Meistens freue ich mich immer auf eine bestimmte Sache : etwas Leckeres zu trinken, egal ob Tee oder Kaffee.

Und wie trinkst du deinen Kaffee am liebsten?

Schwarz. Und gerne auch einen klassischen, deutschen Filterkaffee. Der wird nämlich viel zu oft unterschätzt.

 

 

enpact e.V. sitzt aktuell in unserem Flex Office Space in der Torstraße 49.

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